Destinationsmanagement

Temporäre Konzepte. Perspektive der Regionalentwicklung

15.11.2020
Sharing
  • In Zwischenablage kopiert

Von Dr. Andreas Zimmer

Ist das Temporäre, Zeitweilige, Flexible eine Antwort auf die Erosionskrise der heutigen Zeit?

Duden. „Temporär“. Adjektiv. Bildungssprachlich. Meint „zeitweilig [auftretend]“, „vorübergehend“. Synonyme „begrenzt“, „eine Zeit lang“, „episodenhaft“, „flüchtig“.

Gerade lese ich: „Das Ephemere und die Unsicherheit sind konstitutiv für die temporären Konzepte, aber auch für die heutige gesellschaftliche Situation im Allgemeinen.“(S. 12) Der Satz ist nicht aus dem aktuellen Wochenendteil der Süddeutschen, sondern aus dem Vorwort des 2018 erschienen Buches „Temporäre Konzepte. Coworking und Coliving als Perspektive für die Regionalentwicklung.“ Er paßt aber dennoch hervorragend zur Situation. Denn so viel Temporäres, wie in diesem Jahr, dürfte es selten gegeben haben. Selbst mein Abendessen holte ich heute bei einem temporären Außer-Haus-Verkauf des Babelsberger Traditionsrestaurants Otto Hiemke.

Klar. In der Publikation war von Pandemie noch keine Rede, aber doch von sich veränderten Lebenswirklichkeiten und Gegenwartsbedingungen. Besonders die „Entgrenzung und Subjektivierung der Erwerbsarbeit“ (S.22), die die meisten von uns in diesem Jahr am eigenen Alltag, was immer das zurzeit heißt, zu spüren bekommen haben, ist eine der konstituierende Annahmen der Autoren. Daraus formulieren sie die Frage, wie neue Arbeits-, Lebens- und Wohnkonzepte aussehen müssen, die dieser Entgrenzung, aber auch der Individualisierung und Urbanisierung der Gesellschaft Rechnung tragen.

Vieles ist ganz praktisch mit Inititiativen wie Coworkland, Kreativorte bzw. Zukunftsorte Brandenburg oder Kodörfer schon beantwortet (interessant, wie schnell man sich an solche Phänomene gewöhnt, wenn man mal 4, 5 Jahre zurückdenkt), dennoch enthält der Band viele weitere interessante Beispiele an den branchenübergreifenden Schnittstellen von Arbeit und Freizeit sowie Erklärungen, warum und wie Erscheinungen wie Co-, Cloud- und Klickworking, Coliving, Pop-Ups oder Creative Labs funktionieren oder auch nicht.

Für mich der Schlüsselgedanke ist die durch diese Erscheinungen verursachte „lokal fokussierte Urbanität, um deren Vorteile (Dichte, zufällige Treffen, Diversität, Buzz, „sidewalk effects“ … für einen begrenzten Zeitraum (die Nutzungsdauer) verfügbar zu machen. Sowohl Nutzer von Experimentation wie auch von Working Labs können davon ausgehen, Gleichgesinnte zu treffen, mit denen ein Austausch über geteilte Interessen und Hobbies ebenso möglich ist wie eine punktuelle Unterstützung (…).“ Für die Betreiber solcher Orte ergibt sich „eine hochgradig ambivalente Aufgabe: Sie können einerseits über Selektionsmechanismen in die Zusammensetzung der Nutzergruppe eingreifen (…), sie vertrauen aber andererseits auf die Macht der zufälligen, aber möglicherweise auch unwahrscheinlichen produktiven Begegnung.“ (S. 72) Das klingt erstmal recht akademisch, aber meint nichts anderes, dass Gastgeber und Betreiber solcher Resonanzorte immer mehr zu Kuratoren werden, Möglichkeitsräume schaffen, für Begegnungen, Gespräche und Diskurse.

Und das sind oft auch touristische Orte, die wenn es gut läuft, zu Kreativdestinationen werden und Formen des Creative Tourism ausprobieren, wo „Kreativität per se entsteht“, aber auch vor allem auch auf „kreative Personen Anziehungskraft ausüben.“ Im besten Fall werden Kreative, Freigeister im weitesten Sinne und insbesondere „Culturepreneure“ angesprochen, „die einen trendigen Raum für unabhängiges Arbeiten suchen, der gleichzeitig die Bildung und das Wachstum von Netzwerken stimuliert und Synergieeffekte kreiert (…). Abgerundet werden entsprechende Spaces durch interessante Veranstaltungen und Vorträge, etwa Barcamps oder Start-Up-Nights, die es ermöglichen, neue Kompetenzen zu entwickeln und die bestehenden Netzwerke auszubauen.“ ((.S. 135)

Fläming, Fläming :-): Ick hör´ dir trapsen. Aber mittlerweile ist ja auch in vielen anderen Regionen in Brandenburg etwas los.

Gerade deshalb sei dieses Buch all denjenigen ans Herz gelegt, die schon immer mal mehr über temporäre Konzepte und deren Einordnung wissen wollten und wie man diese für die Regional- und Ortsentwicklung nutzen kann. Und gerade jetzt bietet es trotz aller äußeren Unsicherheiten, An- und Einsichten für Zukünfte, die wir gemeinsam gestalten können.

Autor: Dr. Andreas Zimmer, Abteilungsleiter Clustermanagement Tourismus bei der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH.

Studie Temporärkonzepte Titelbild