Urteil: Entschädigung bei Stornierung von Pauschalreisen wirksam
Das Oberlandesgericht Naumburg hat in einem Berufungsverfahren entschieden, dass eine Klausel in den AGB von Reiseveranstaltern zur konkreten Berechnung von Stornokosten wirksam ist. Das Urteil stärkt die Anbieterseite und klärt die Unsicherheit, ob das "Wahlrecht" in den AGB mit den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie vereinbart.
Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg hat im Rahmen eines Berufungsverfahrens ( 4 U 72/22) am 02.03.2023 eine wichtige Entscheidung getroffen, welche sich mit der Frage der Zulässigkeit von konkreten Ersatzansprüchen des Reiseveranstalters (hier ein Anbieter im Klassenfahrtenbereich) bei Rücktritt des Reisenden / der Schule vor Reisebeginn beschäftigt, wenn gleichzeitig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Stornokostenpauschalen (AGB) festgehalten sind. Das OLG hält eine solche Klausel in den AGB für wirksam und hat entgegen dem Landesgericht (LG) Halle der Klägerin eine konkret geltend gemachte Entschädigung (teilweise) zugesprochen, nachdem diese von ihrem in den AGB verankerten Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Außerdem hat es sich mit der Frage von Corona bedingten Absagen von Schulfahrten im Allgemeinen beschäftigt. Folgende sind die Kernaussagen des Urteils:
- Ein Ministererlass vom April 2020, der aufgrund der Corona-Pandemie die Anweisung an Schulen beinhaltet, bis zum Jahresende keine Schulfahrten mehr durchzuführen, berechtigt nicht zum entschädigungslosen Rücktritt einer bereits gebuchten Klassenfahrt ohne konkrete Prüfung der Verhältnisse am Zielort.
- Die konkrete Berechnung der Entschädigung gemäß § 651 h Abs. 2 S. 2 BGB sei neben dem Fall der Unwirksamkeit einer in den AGB des Reiseveranstalters festgesetzten Stornokostenpauschale zulässig, wenn dieser sich eine konkrete Berechnung in den seinem Pauschalreisevertrag zugrundeliegenden AGB vorbehalten habe.
- Weder die Pauschalreiserichtlinie noch § 651 h BGB verbieten dem Reiseveranstalter die Wahl zwischen einer konkreten und pauschalen Berechnung der Entschädigung. Es gebe auch keine Deckelung des Entschädigungsanspruchs auf die Höhe einer vereinbarten Pauschale. Der Vertragspartner sei nicht unangemessen benachteiligt, wenn er die Höhe der Entschädigung aufgrund des Vorbehalts nicht abschätzen könne.
Dem Rechtsstreit lagen drei Absagen von Schulfahrten für den Zeitraum (05.7.2020 bis 10.7.2020 nach Budapest; 06.07 bis 10.07. Ostseeküste) zugrunde. Die Klägerin betätigt sich als Reiseveranstalterin von Schul- und Klassenfahrten. Die Beklagte ist das Bundesland, deren Schulen die Verträge im Namen des Landes abschließen. Die Angebote der Klägerin beinhalteten An- und Abreise, Unterkunft und Programm, so dass das klassische Pauschalreiserecht, §§ 651 a ff BGB zur Anwendung kommt. Die Klägerin hat sich in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehalten, die Berechnung von Stornierungskosten, sowohl pauschal als auch konkret vornehmen zu dürfen. Aufgrund eines Ministererlasses, wonach alle vom 24.04.2020 bis zum 31.07.2020 stattfindenden Klassenfahrten abzusagen waren, stornierten die Mitarbeiter*innen der Schulen im April die bei der Klägerin gebuchten Reisen.
Nach dieser Entscheidung des OLG, die rechtskräftig ist, hat der Reiseveranstalter, die Möglichkeit seine Entschädigungsansprüche konkret zu berechnen, wenn entweder die vereinbarte Pauschale unwirksam ist beziehungsweise wenn sich der Veranstalter - wie hier - eine konkrete Berechnung in den AGB vorbehalten hat. Er kann dann denn vereinbarten Reisepreis ansetzen, hiervon muss er ersparte Aufwendungen abziehen bzw. was durch anderweitige Verwendung der Reiseleistung erzielt werden konnte. Das Urteil stärkt die Anbieterseite, da eine gewisse Unsicherheit in der Branche herrscht, ob nach dem Inkrafttreten des neuen Reiserechts im Juli 2018 ein solches "Wahlrecht" in den AGB mit den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie vereinbar ist.
Verfasst von Rechtsanwältin Anja Smettan-Öztürk
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