Destinationsmanagement
Digitalisierung

Impulse, Projekte und Workshops

15.10.2025
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Der Brandenburgische Tourismustag 2025 im Kongresshotel Potsdam bot mehr als 200 Akteuren der Tourismusbranche ein umfangreiches Fachprogramm. Am Nachmittag widmeten sich Impulsvorträge, Fachvorträge und parallele Workshops zentralen Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, nachhaltige Finanzierung und die Zukunft der Gastronomie.

Impulse: Smarte Regionen und nachhaltige Finanzierung

Zwei zentrale Impulsvorträge beleuchteten Zukunftsthemen des Brandenburg-Tourismus: Wie gelingt die Transformation zu intelligenten, vernetzten Destinationen durch kontinuierliche Prozesse, die Kollaboration von Mensch und Künstlicher Intelligenz sowie adaptive Kompetenzen? Welche rechtlichen und praktischen Möglichkeiten bietet die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes für eine nachhaltige und gerechte Finanzierung? Beide Vorträge lieferten praxisnahe Einblicke und Handlungsempfehlungen.

Stefan Möhler Netzvitamine GmbH als Gastredner auf der Bühne
Quelle:

Florian Gaertner/photothek.de

Der Impuls von Stefan Möhler beleuchtete die Herausforderungen und Möglichkeiten der Entwicklung hin zu smarten Regionen im Kontext der andauernden digitalen und KI-Transformation. Der Fokus lag dabei auf den notwendigen Kompetenzen und Strategien, die Regionen und Organisationen entwickeln müssen, um in einer sich beschleunigenden Welt erfolgreich zu bestehen. 

Stefan Möhler Netzvitamine GmbH als Gastredner auf der Bühne
Quelle:

Florian Gaertner/photothek.de

Transformation als Daueraufgabe

Die digitale Transformation, die vor etwa 20 Jahren begann, ist inzwischen zu einem Dauerzustand geworden. Nach der digitalen folgt nun die KI-Transformation, und weitere werden folgen. Organisationen müssen lernen, Transformation als permanente Aufgabe zu verstehen.

Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Transformation sind: kollektive Intelligenz nutzen, Beweglichkeit und Agilität entwickeln, eine Kultur der offenen Kommunikation etablieren und die Bereitschaft zum Verlernen überholter Ansätze zeigen.

Kooperation von Mensch und KI

KI-Systeme erreichen heute bereits Leistungsniveaus, die selbst promovierte Wissenschaftler in ihren Fachgebieten übertreffen. Der GPQA Benchmark zeigt: Ein KI-System ist genauer bei der Beantwortung komplexer Fragen als Experten mit Internetzugang.

Dennoch bleibt menschliche Einzigartigkeit unverzichtbar: Vertrauen und Bauchgefühl, Empathie und emotionale Intelligenz, Kreativität und Innovation sowie interdisziplinäre Problemlösung. Forschungsergebnisse aus Cambridge belegen die besondere Kraft menschlicher Zusammenarbeit – den "Superbrain-Effekt", der entsteht, wenn Menschen "auf einer Welle" sind.

Auswirkungen auf Markenführung

Die Entwicklung des "Agentic Commerce" verändert fundamental die Art, wie Geschäfte abgewickelt werden. Google integriert KI direkt in Suchanfragen, Amazon's "Buy for Me" übernimmt komplette Kaufprozesse auch außerhalb der Plattform. Konsequenz: Nur noch der "Upper Funnel" (Markenwahrnehmung) bleibt für menschliche Einflussnahme.

Die Marke wird zum entscheidenden Differenzierungsfaktor. Konsistenz und Kohärenz sind oberste Direktiven, die Marke wird zur Mission statt reines Marketing-Instrument. Grundsatz: Marketing ist Teil der Marke, nicht umgekehrt.

Fazit: Schlüsselkompetenzen für smarte Regionen

Notwendige Zukunftskompetenzen umfassen die Bereitschaft zum Verlernen, Neugier als aktive Kompetenz und die Schaffung von Räumen für Co-Kreation. Die Erkenntnis: Es gibt keinen QR-Code für Wertschätzung oder Gastfreundschaft.

Smarte Regionen entstehen dort, wo Prozesse statt Projekte gedacht werden, Transformation als Daueraufgabe begriffen wird, gemeinsam gelernt und verlernt wird und die Kompetenzen von Mensch und Technologie klug verbunden werden. Die Botschaft: "Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut!" – Ein Plädoyer für Zuversicht und mutiges Handeln in Zeiten des Wandels.

Die Ausgangslage

Tourismus ist für Kommunen eine freiwillige Aufgabe, deren Organisation sehr unterschiedlich erfolgen kann – von der direkten Verwaltung über Tourist-Informationen bis hin zu regionalen Marketinggesellschaften. Entscheidend ist jedoch: Nur die Gemeinden und Gemeindeverbände selbst sind berechtigt, touristische Kommunalabgaben zu erheben.

Der Finanzierungsmix

Die erfolgreiche Tourismusfinanzierung setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen: Gäste- und Tourismusbeitrag, Entgelte aus eigenen Einrichtungen, freiwillige Finanzierungsmodelle sowie Zuschüsse zur Tourismusförderung. Dieser Mix ermöglicht es, die Kosten für Infrastruktur, Verwaltung, Tourismuswerbung und Personal abzüglich eines Eigenanteils für Einwohnende zu decken.

Die wichtigsten Neuerungen

Die Novellierung des KAG Brandenburg markiert einen Wendepunkt. Erstmals können nun alle Gemeinden – unabhängig von einer Prädikatisierung – einen Gästebeitrag erheben. Die wichtigsten Änderungen:

  • Ausweitung auf touristische Zwecke generell, nicht mehr nur auf Kur- und Heilzwecke
  • Tagesgäste sind nun ebenfalls beitragspflichtig – Personen, die sich ohne Übernachtung zu touristischen Zwecken aufhalten
  • Mehr Flexibilität bei ansetzbaren Kosten: Auch Aufwendungen für Verbesserungen und Kosten Dritter sind berücksichtigungsfähig
  • Befreiungsmöglichkeiten aus wichtigen Gründen können in den Satzungen vorgesehen werden

Gäste- und Tourismusbeitrag: Zwei sich ergänzende Instrumente

Der Gästebeitrag richtet sich an Übernachtungs- und Tagesgäste, die die touristische Infrastruktur nutzen. Der Tourismusbeitrag hingegen wird von Personen und Unternehmen erhoben, denen durch den Tourismus besondere wirtschaftliche Vorteile entstehen. Beide können als sich ergänzendes Finanzierungssystem agieren – allerdings ist Vorsicht vor Doppelfinanzierung geboten.

Vernetzung als Erfolgsfaktor

Die Zusammenarbeit mehrerer Kommunen – etwa in Gemeindeverbänden – bietet erhebliche Vorteile: gemeinsame Gästekarten, abgestimmte ÖPNV-Angebote, Vermeidung von Doppelbelastungen für Gäste und effizienterer Wissensaustausch. Die Kommune stellt Einrichtungen und Angebote bereit, Gäste nutzen diese gegen Entgelte und Abgaben, und lokale Unternehmen profitieren durch ihre Leistungen.

Warum sich die Einführung lohnt

Die Einführung touristischer Kommunalabgaben bringt nachhaltige Vorteile:

  • Entlastung des kommunalen Haushaltes und gestärkte Handlungsfähigkeit
  • Umsetzung des Verursacherprinzips – wer nutzt, beteiligt sich auch
  • Zweckbindung der Mittel für touristische Infrastruktur und Marketing
  • Erhöhte Transparenz in Besucherstatistiken für bessere Besucherlenkung
  • Steigerung der Lebensqualität für Einheimische und Gästezufriedenheit

Der Weg zur Umsetzung

Die Einführung erfolgt in vier Schritten: Zunächst braucht es politischen Diskurs über Akzeptanz und Stellenwert des Tourismus. Dann müssen Haushaltsdaten erhoben und touristische Einrichtungen strukturiert werden. Anschließend werden die kostendeckenden Abgabenhöhen berechnet, bevor schließlich die Satzungen und Beitragshöhen beschlossen werden können.

Unterstützung für Kommunen

TMB und B & P bieten bis Ende 2025 umfassende Hilfestellungen an: Musterkalkulationen, praktische Durchführungshinweise und Schulungswerkstätten – digital und in Präsenz – vermitteln die neuen Regelungen praxisnah. 

Die Botschaft  ist klar: Die Novellierung des KAG Brandenburg bietet allen Gemeinden faire und rechtssichere Möglichkeiten, den Tourismus nachhaltig zu finanzieren – zum Vorteil von Gästen, Leistungsträgern und Einheimischen gleichermaßen.

Kurzpräsentationen zu aktuellen Projekten und Ideen

Vier Kurzvorträge gaben Einblicke in digitale Zukunftsfelder: von innovativen Erlebnistechnologien über datenbasiertes Besuchermanagement bis zur Weiterentwicklung digitaler Informationssysteme und den Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf das Suchverhalten. Die Beiträge zeigten praxisnah, wie digitale Innovationen die touristische Entwicklung prägen und welche konkreten Mehrwerte sie für Gäste, Leistungsträger und Destinationen schaffen.

René Heise von der TMB und Ellen Rußig vom TV Seenland oder Spree auf der Bühne des BBT 2025
Quelle:

Florian Gaertner/photothek.de

Vier Sessions zum Mitdiskutieren und Mitgestalten

Vier parallele Sessions boten Raum für Vertiefung und konkrete Arbeit an aktuellen Themen des Brandenburg-Tourismus. In interaktiven Formaten wurden wissenschaftliche Perspektiven mit Praxiserfahrungen verbunden, Lösungsansätze erarbeitet und neue Strategien diskutiert. Die Teilnehmenden konnten dabei gezielt an ihren eigenen Fragestellungen arbeiten. Die Ergebnisdokumentationen zu allen Sessions stehen hier zum Download bereit.

Session beim BBT 2025
Quelle:

Florian Gaertner/photothek.de

Begleitet von Prof. Martin Balas sowie Studierenden des Masterstudiengangs Nachhaltiges Tourismusmanagement an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) sowie Nannette Neitzel und Lynn Frodermann von der PMSG Potsdam Marketing Service GmbH wurden in dieser Session neue Wege erarbeitet, um zwischen Greenwashing-Vorwurf und Bürokratiefrust glaubwürdig über nachhaltige Entwicklung zu sprechen. Die Session verband wissenschaftliche Perspektiven mit Praxiserfahrungen und lud dazu ein, an einem neuen Vokabular und an realistischen Kommunikationsstrategien zu arbeiten.

Praxisbeispiel: Studierendenprojekt Potsdam

Im Zentrum stand ein konkretes Studierendenprojekt mit dem Ziel, ein Kommunikationskonzept für Partnerunternehmen der PMSG zu entwickeln, damit diese ihre nachhaltigen Maßnahmen intern und extern wirksam kommunizieren können.

Die Herausforderung: Die Verhaltenslücke

Die Ausgangslage ist bekannt: Viele Reisende bewerten Nachhaltigkeit positiv, handeln aber nicht konsequent danach. Diese sogenannte Verhaltenslücke lässt sich durch Nudging schließen, indem nachhaltige Optionen bequem, sichtbar sowie sozial erwünscht gemacht werden.

Nudging als Kernmethode

Beim Nudging (englisch für "Anstoßen", "Schubsen" oder "Stupsen") bewegt man jemanden auf mehr oder weniger subtile Weise dazu, etwas Bestimmtes einmalig oder dauerhaft zu tun oder zu lassen. Dabei können Voreinstellungen und Standards (Defaults) ebenso zum Einsatz kommen wie Produktinformationen und Warenpräsentationen. Angestrebt werden Verhaltensänderungen der Personen und Gruppen etwa von Unternehmen oder vom Staat.

Besonders im Tourismus eignen sich verschiedene Nudge-Typen: Default-Trigger, Soziale Normen Nudge, Feedback-Nudge und Salienz-Nudge. Neben Nudging bildete Storytelling das zweite Kernelement der entwickelten Kommunikationsstrategie.

Kommunikation auf drei Ebenen

Das Kommunikationskonzept wurde für drei Ebenen entwickelt: die Dachkommunikation (PMSG), die Standortkommunikation (im Unternehmen) und die Gästekommunikation (vor Ort).

Ergebnis und Fazit

Das Projekt mündete in Handlungsleitfäden mit konkreten Nudging-Empfehlungen je nach Zielgruppe. Das Fazit der Session: Nudging ist ein wirksames Werkzeug, um nachhaltiges Verhalten im Tourismus subtil, kostengünstig und freiwillig zu fördern. Nachhaltige Kommunikation gelingt, wenn sie alltagsnah, motivierend, emotional und konkret ist.